Einschränkungen bei der Nahrungsaufnahme (Achtung auf eine kohlenhydratarme Kosten, regelmäßige Mahlzeiten, abendliche Mahlzeiten, um nächtliche Hypoglykämien zu vermeiden, Vermeidung und Ersetzung bestimmter Lebensmittel wie Zucker, Honig und Weizen, ggf. Abwarten einer halben oder einer Stunde bis zum Essen, wenn die gemessenen Werte noch zu hoch seien), bei Autofahrten (Vermeidung längerer Autofahrten, um andere Verkehrsteilnehmer nicht zu gefährden; kürzere Autofahrten – z.B. zur Arbeit – nur nach vorheriger Blutzuckermessung) und bei Reisen (Urlaubsreisen nur mit dem Flugzeug) bedeuten zwar eine „stärkere“ Teilhabebeeinträchtigung i.S.v. Nr. 15.1 Abs. 3 AnlVersMedV; das Ausmaß einer darüber noch hinausgehenden „ausgeprägten“ Teilhabebeeinträchtigung (Teil B Nr. 15.1 Abs. 4 AnlVersMedV) erreichen sie hingegen nicht.

Die durch erhebliche Ein- schnitte bewirkte gravierende Beeinträchtigung in der Lebensführung kann auf Besonderheiten der Therapie beruhen, etwa wenn ein Erkrankter aufgrund persönlicher Defizite für eine Injektion erheblich mehr Zeit benötigt, als ein anderer im Umgang mit den Injektionsutensilien versierter Mensch; Einschnitte in der Lebensführung zeigen sich daneben auch bei einem unzulänglichen Therapieerfolg, also an der Stoffwechsellage des erkrankten Menschen.


Landessozialgericht Rheinland-Pfalz 6. Senat
23.09.2020
L 6 SB 116/19
Juris



Tatbestand

Die Beteiligten streiten über die Höhe des Grads der Behinderung (GdB).

Bei dem am 1967 geborenen Kläger wurde mit Widerspruchsbescheid vom 15.11.2004 ein Gesamt-GdB von 40 festgestellt, bei folgenden Behinderungen:

1. Insulinpflichtiger Diabetes mellitus (Einzel-GdB 40) 2. Wirbelsäulensyndrom (GdB 10).

Die hiergegen erhobene Klage blieb ebenso erfolglos (Urteil des Sozialgerichts Koblenz – SG – vom 28.03.2007, Az. S 8 SB 836/04) wie das nachfolgende Berufungsverfahren (Beschluss des Landessozialgerichts Rheinland-Pfalz vom 17.10.2007, Az. L 6 SB 86/07).

Ein im Jahr 2009 gestellter Änderungsantrag wurde mit Bescheid vom 02.11.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 17.03.2010 abgelehnt, wobei der Beklagten von folgenden Behinderungen ausging:

1. Insulinpflichtiger Diabetes mellitus (Einzel-GdB 30) 2. Schwerhörigkeit (Einzel-GdB 20) 3. Wirbelsäulensyndrom, Iliosacralgelenk -Syndrom (Einzel-GdB 10).

Den hier streitgegenständlichen Neufeststellungsantrag stellte der Kläger am 16.01.2017, wobei er eine Verschlimmerung des Diabetes mellitus geltend machte. Der Beklagte holte einen Befundbericht des Leiters des D. K.zentrums N. Dr. B. vom 19.01.2017 ein, der in diesem u.a. ausführte, dass unter der aktuellen Therapie mit eigenverantwortlichem Stoffwechselmanagement (täglich 6-10 Blutzucker-Selbstkontrollen, täglich 3,5 Insulininjektionen) eine instabile Stoffwechsellage mit Gefahr des Auftretens schwerer Hypoglykämien bestehe. Im vom Beklagten erbetenen Fragebogen gab der Kläger am 17.01.2017 an, dass seine Zuckerkrankheit mit 4 und mehr Insulin- oder Insulinanalogon-Injektionen/Tag behandelt werde; er führe regelmäßig Blutzuckerselbstmessungen mit Insulindosisanpassung mindestens 4 Mal pro Tag durch. Er legte ferner sein Diabetes-Tagebuch vor.

Der Beklagte holte eine versorgungsärztliche Stellungnahme von Dr. T. vom 02.03.2017 ein, die ausführte, dass nach Auswertung des Diabetestagebuchs täglich 3-4 Blutzuckermessungen durchgeführt würden und es im dort genannten Zeitraum (01.08.2016 bis 19.01.2017) insgesamt 4 Mal zu leichten Hypoglykämien gekommen sei. Schwere Hypoglykämien seien nicht erfolgt. Die Blutzuckermessungen seien tageszeitlich angepasst erfolgt, nächtliche Messungen seien nur selten erfolgt (12 Mal zwischen 0:00 bis 2:00 Uhr im oben genannten Zeitraum und 3 Mal zwischen 2:00 bis 3:00 Uhr im oben genannten Zeitraum). Die von dem Diabetologen angegebenen 6-10 Blutzuckermessungen täglich ließen sich nicht objektivieren. Eine über das übliche Maß hinausgehende ausgeprägte Teilhabebeeinträchtigung lasse sich mit den vorliegenden Befunden nicht begründen. Der Einzel-GdB für die Diabeteserkrankung sei daher weiterhin mit 40 zu bewerten. Neben einem Einzel-GdB von 20 für die Schwerhörigkeit und einem Einzel-GdB 10 für degenerative Wirbelsäulenveränderungen betrage der Gesamt-GdB weiterhin 40.

Mit Bescheid vom 08.03.2017 lehnte der Beklagte dem folgend den Antrag auf Neufeststellung ab.

Im anschließenden Widerspruchsverfahren trug der Kläger vor, dass er seinen Blutzucker mehrmals (mindestens 6 Mal) messen und dementsprechend mindestens 4 Mal am Tag Insulin spritzen müsse. Zusätzlich dazu sei der Blutdurchfluss in seinen Beinen beeinträchtigt, was auch auf den Diabetes zurückzuführen sei. Dadurch habe er Schmerzen in beiden Waden, so dass er nicht in der Lage sei, schwere Arbeiten zu verrichten. Auf Aufforderung des Beklagten legte er erneut den Fragebogen Diabetes und sein Diabetes-Tagebuch vor. In seinem vom Beklagten angeforderten Befundbericht führte Dr. B. am 14.11.2017 aus, dass unter der aktuellen Therapie mit eigenverantwortlichem Stoffwechselmanagement (täglich 6-10 Blutzucker-Selbstkontrollen, täglich 6-8 Insulininjektionen) eine instabile Stoffwechsellage mit Gefahr des Auftretens schwerer Hypoglykämien bestehe.

Der Beklagte holte eine versorgungsärztliche Stellungnahme von der Ärztin S. vom 18.01.2018 ein, die ausführte, dass der Gesamt-GdB weiterhin 40 bei einem unverändert anzunehmenden Einzel-GdB von 40 für den Diabetes mellitus betrage. Nach Auswertung des vorgelegten Diabetestagebuchs („Zeitspanne 20.01.-16.11.2017?“) würden täglich 3-4 Blutzuckermessungen durchgeführt. Im oben genannten Zeitraum seien um die 30 leichte Hypoglykämien dokumentiert, keinerlei schwere Hypoglykämien. Sie seien fast immer um die gleiche Zeit aufgetreten, so dass hier die Notwendigkeit einer Reduktion der abendlichen Insulindosis und einer alimentären Anpassung um die Zeit naheliege. Eine ärztliche Intervention sei nicht erforderlich gewesen. Die Blutzuckermessungen seien tageszeitlich angepasst erfolgt, nächtliche Messungen seien nur selten erfolgt. Der HbA1c- Wert habe sich im Vergleich sogar etwas gebessert. Die von dem Diabetologen angegebenen 6-10 Blutzuckermessungen täglich ließen sich nicht objektivieren. Eine über das übliche Maß hinausgehende ausgeprägte Teilhabebeeinträchtigung lasse sich mit den vorliegenden Befunden weiterhin nicht begründen.

Der Widerspruch des Klägers wurde sodann mit Widerspruchsbescheid vom 02.02.2018 zurückgewiesen, wobei der Beklagte von folgenden Behinderungen ausging:

1. Diabetes mellitus (Einzel-GdB 40) 2. Schwerhörigkeit (Einzel-GdB 20) 3. Degenerative Wirbelsäulenveränderungen (Einzel-GdB 10).

Im anschließenden Klageverfahren vor dem Sozialgericht Koblenz (SG) hat der Kläger vorgetragen, dass er durch den Diabetes mellitus darauf angewiesen sei, 6-10 Blutzuckerselbstkontrollen durchzuführen und täglich 6-8 Insulininjektionen zu verabreichen. Es bestehe eine instabile Stoffwechsellage mit Gefahr des Auftretens schwerer Hypoglykämien. Die bei ihm vorliegenden Beeinträchtigungen führten insgesamt zu nicht unerheblichen Beeinträchtigungen, die einen höheren GdB von 50 rechtfertigten. Die medizinisch notwendige Therapie sei verbunden mit einem erheblichen therapeutischen Aufwand, die eindeutig eine Teilhabebeeinträchtigung sei. Zudem sei die Therapie erheblich erschwert durch fremdgesteuerte persönliche Defizite mit multifaktorieller Ursache. So sei die Behandlung nur mit einer sehr disziplinierten Verhaltensweise mit täglicher Anpassung der Insulindosis an die körperlichen Aktivitäten und Mahlzeiten sowie die beruflichen und privaten Herausforderungen ohne Fremdgefährdung möglich. Im Laufe des Verfahrens hat er weiter vorgetragen, dass sich der Therapieaufwand von viermal täglich angepassten Insulininjektionen in seinem Alltag als erheblich erweise, da er während der Arbeit diese unterbrechen müsse, um den Blutzuckerspiegel zu messen und dementsprechend eine Dosis Insulin zu injizieren. Dies könnte seine Familie bezeugen. Außerdem sei es keine Seltenheit, dass er in der Nacht während des Schlafes an Hypoglykämie leide. Dies führe dazu, dass er nicht eigenständig aufwachen könne. Vielmehr müsse sich seine Familie dann um ihn kümmern, da er sich dann in einem trunkenheitsähnlichen Zustand befinde und auf deren Hilfe angewiesen sei. Darüber hinaus trete die Hypoglykämie nicht nur bei Nacht, sondern auch tagsüber auf, daneben komme es auch zu einer Hyperglykämie. Sobald der Blutzuckerspiegel zu stark sinke, träten Kopfschmerzen, Herzrasen, kalte Schweißausbrüche auf. Steige dieser jedoch, leide er unter massiven Müdigkeitsanfällen, so dass ihm jegliche Tätigkeit schwerfalle. In beiden der Fälle kämen auch Symptome wie Sprach- und Sehstörungen sowie Verhaltens- und Bewusstseinsstörungen zum Vorschein. All dies könnte seine Familie bezeugen. Er werde daher in seinem alltäglichen Leben stark durch die Diabeteserkrankung beeinträchtigt und sei darauf angewiesen, sein gesamtes Leben nach seiner Krankheit zu richten. Dies sei nur mit Unterstützung seiner Familie möglich.

Der Beklagte hat im Klageverfahren vorgetragen, dass nach Teil B Nr. 15.1 der Versorgungsmedizinischen Grundsätze für die Bewertung der Teilhabebeeinträchtigung durch einen Diabetes mellitus der konkrete Therapieaufwand, die jeweilige Stoffwechselqualität und das damit verbundene Ausmaß der Einschnitte in die Lebensführung von wertungserheblicher Bedeutung seien. Dabei seien die mit der Insulintherapie zwangsläufig verbundenen Einschnitte nicht geeignet, eine gravierende Beeinträchtigung herbeizuführen, d.h. der mit einer Insulintherapie einhergehende Therapieaufwand allein nicht geeignet, die Feststellung einer Schwerbehinderteneigenschaft zu begründen. Bei der Bewertung mit einem GdB von 40 sei der von Dr. B. genannte Therapieaufwand bereits berücksichtigt. Für die Schwerbehinderteneigenschaft sei nur ein dieses hohe Maß noch übersteigender Therapieaufwand berücksichtigungsfähig. Insgesamt betrachtet müsse eine erhebliche Beeinträchtigung der Lebensführung, etwa durch eine erschwerte Therapie aufgrund persönliche Defizite des Betroffenen, eine außergewöhnlich schwer regulierbare Stoffwechsellage, schwere hypoglykämische Entgleisungen mit Fremdhilfebedarf oder Folgeschäden an anderen Organen vorliegen. Solches könne im Fall des Klägers nicht gesehen werden. Eine außergewöhnlich schwer regulierbare Stoffwechsellage mit häufigen Unter- und/oder Überzuckerungen, die eine Fremdhilfe notwendig machten, sei nicht dokumentiert. Aus der Aktenlage ergäben sich keine Anhaltspunkte, die auf erhebliche Einschnitte in der Lebensführung schließen ließen, durch die der Kläger eine gravierende Beeinträchtigung erfahre. Besondere berufliche Einschränkungen seien nicht maßgeblich, weil es auf die Teilhabebeeinträchtigung am Leben in der Gesellschaft allgemein, unabhängig vom ausgeübten Beruf, ankomme.

Auf Nachfrage des SG, ob und gegebenenfalls wann es seit Januar 2017 zum Auftreten schwerer Hypoglykämien mit Notwendigkeit der Inanspruchnahme fremder Hilfe gekommen sei, und Bitte um Mitteilung der seit Januar 2017 gemessenen HbA1c-Werte, hat der Kläger eine Stellungnahme von Dr. B. vom 07.06.2018 vorgelegt. In dieser wird ausgeführt, dass bei dem Kläger seit April 2004 ein insulinabhängiger Diabetes mellitus Typ 1 vorliege. Die Gefahr des Auftretens schwerer Hypoglykämien mit erforderlicher Fremdhilfe und parenteraler Glukagon bzw. Glukosegabe bestehe zeitlebens. Nur durch eine sehr disziplinierte Verhaltensweise mit täglicher Anpassung der Insulindosis an die körperlichen Aktivitäten und die Mahlzeiten gelinge es dieses Risiko zu minimieren. Der Therapieaufwand sei daher mit erheblichen Einschnitten in die Lebensführung verbunden und bedeute somit eine Teilhabebeeinträchtigung. Bei Eintritt in seiner Einrichtung habe sich ein dysregulierter Diabetes mit einem HbA1c-Wert von 9,6 % feststellen lassen. Die letzten HbA1c-Werte seit Januar 2017 (30.03.2017: 7,5 %, 27.07.2017: 7,9 %, 07.12.2017: 8,1 %) seien lediglich Surrogatparameter , die nichts über die Instabilität der Stoffwechsellage aussagten und keinen Rückschluss auf den Therapieaufwand erlaubten.

Auf Antrag des Klägers hat das SG ein Gutachten bei dem Internisten und Diabetologen Dr. B. eingeholt. Dieser hat in seinem Gutachten vom 05.03.2019 nach ambulanter Untersuchung des Klägers einen GdB von 50 bei folgenden Behinderungen angenommen:

1. Autoimmundiabetes mellitus Typ 1 (Manifestation 04/2004) (Einzel-GdB 50) 2. Schwerhörigkeit (Einzel-GdB 20) 3. Degenerative Achsenskelettveränderungen (Einzel-GdB 10).

Zur Begründung hat er u.a. ausgeführt, dass es zu einer gravierenden Verschlimmerung gekommen sei, die den Kläger gesamt gesehen erheblich in der Lebensführung beeinträchtige. Alle Voraussetzungen für die Anerkennung der Schwerbehinderteneigenschaft lägen vor: Der Kläger spritze mehr als 4 Injektionen täglich, die Anpassung erfolge über den Bolusrechner, der eine vorangegangene blutige Blutzuckermessung benötige, und die erheblichen krankheitsbedingten Einschnitte/Beeinträchtigungen der Lebensführung lägen ersichtlich vor. Mithilfe eines Glukosesensors (Anlage 1) könne nachgewiesen werden, dass der Kläger durch seine instabile Stoffwechsellage mit wiederholten schweren Hypoglykämien unter bedarfsgerechter Mehrfachinsulinspritzentherapie mit selbstständiger Anpassung der Insulindosis gravierend in seiner Lebensführung beeinträchtigt sei. Diese Hypoglykämien stellten für den Kläger eine unterschätzte Belastung dar. Sie könnten gefährlich werden und sogar tödlich enden. Sie würden Angst machen und sich wie ein Schatten über das Leben legen. Der Kontrollverlust über die Kohlenhydratstoffwechsellage bedeute eine bedrohliche Schwäche im Alltag. Der Tagesablauf, insbesondere im Schichtdienst bei der Firma W. in N. mit körperlich anspruchsvoller Arbeit, bedeute eine hohe psychophysische Belastung; dies führe zu einem gravierenden Einschnitt in der Lebensführung. Der Kläger sei geschult worden (siehe Anlage 2). Nach dieser Auswertung sie die Insulintherapie angepasst und er sei mit einem Analoginsulin, einem Normalinsulin und einem Mischinsulin für die Abdeckung der nächtlichen Mahlzeit behandelt worden. Der Kläger spritze zu jeder Mahlzeit das kurzwirksame Insulin Humalog mit einer berechnenden automatischen Anpassung, die leider nicht vollständig gespeichert worden sei. Die geforderte dreimalige händische Speicherung nach der Berechnung oder Notizeingabe seien ihm trotz Schulung nicht bewusst gewesen. Daher sei die Darstellung diesbezüglich zum Teil nicht vollständig. Er spritze 4 Mal kurzwirksames Insulin, esse 3 Hauptmahlzeiten und 1 Zwischenmahlzeit, spritze 1 Mal zur Nacht Mischinsulin wegen der fettreichen, ballaststoffreichen und eiweißreiche Mahlzeiten in der Nacht sowie morgens und mittags Basalinsulin für den Grundbedarf. Sicher sei der Erfolg ersichtlich, doch es lägen trotzdem zu viele Ereignisse vor, die nicht vermieden werden könnten, wie zum Beispiel der muskuläre Körperbau, der veränderte Biorhythmus durch den Schichtdienst, die Insulinüberlappung durch das Basalinsulin und die hohen Temperaturen bei den Schweißarbeiten.

Der Beklagte hat hierzu eine versorgungsärztliche Stellungnahme von Dr. M. vom 02.04.2019 vorgelegt, die an der Bewertung des Diabetes mellitus mit einem GdB von 40 festgehalten und zur Begründung ausgeführt hat, Dr. B. beziehe sich im Wesentlichen auf Messergebnisse, die mit Hilfe eines Glukosesensors erhoben worden seien, und äußere sich allgemein über subjektive Belastungen und objektive Gefahren von Hypoglykämien, ohne dass dies im Fall des Klägers zu nachvollziehbaren Kriterien führen würde, nach denen ein höherer GdB als 40 anzuerkennen wäre. Nach wie vor erforderten die im aktuellen Verlauf seltener auftretenden, überwiegend leicht- bis gelegentlich mittelgradigen Hypoglykämien keinen ärztlichen Interventionsbedarf, die Langzeitblutzuckereinstellung, dokumentiert durch den HbA1c-Wert, zeige sich ebenfalls im tolerablen Bereich und erhebliche Einschnitte in der Lebensführung seien weiterhin nicht erkennbar.

Der Kläger hat hierzu eine Stellungnahme von Dr. B. vom 25.04.2019, gerichtet an den Beklagten, vorgelegt. Dr. B. hat ausgeführt, die Aussagen von Dr. M. seien unzutreffend, seine gutachterliche Stellungnahme werde zum Schaden des Klägers völlig fehlinterpretiert. Sein Gutachten beweise mithilfe eines anerkannten und evaluierten Glukosemesssystems, dass durch wiederholt anhaltende und repetitive, das Leben gefährdende Hypoglykämien erhebliche krankheitsbedingte Einschnitte/Beeinträchtigungen in der Lebensführung vorlägen. Die Aussage, diese seien im aktuellen Verlauf seltener aufgetreten und überwiegend leicht, gelegentlich mittelgradig, sei falsch. Die Hypoglykämien seien entsprechend der nationalen und internationalen Leitlinien als schwerwiegend definiert (Blutzuckerwerte unter 70 mg/dl mit subjektiver Beeinträchtigung und erforderlicher Fremdhilfe). Ebenfalls nicht korrekt sei, dass Dr. M die Glykämiekontrolle über die Langzeitblutzuckereinstellung, dokumentiert durch den HbA1c-Wert, definiere. Dieser Wert sei lediglich ein doppelter Surrogatparameter , der grobe Informationen über das Blutzuckerniveau in den vorangegangenen Wochen gebe. Die erheblichen Schwankungen, die den Kläger bedrohten, führten dazu, dass dieser Wert falsch zu niedrig gemessen werde. Er könne daher überhaupt nicht zur Beantwortung der entscheidenden Fragestellung im Gutachten herangezogen werden.

Nachdem der Kläger noch eine Kopie seines Blutzuckertagebuchs zur Akte gereicht hat (auf Bl. 152 ff. der Gerichtsakte wird insoweit Bezug genommen), hat der Beklagte eine weitere Stellungnahme von Dr. M vom 11.07.2019 übersandt, in der diese ausgeführt hat, dass die im Blutzuckertagebuch angegebenen Werte weit überwiegend im tolerablen Bereich lägen und keine fremdhilfebedürftigen Hypoglykämien erkennen ließen. Gemäß aktueller Praxisempfehlung der Deutschen Diabetesgesellschaft sei die derzeit international gebräuchliche Einteilung der Hypoglykämien in milde und schwere Formen nicht an speziellen Blutglukosewerten ausgerichtet, sondern ausschließlich an der Fähigkeit zur Selbsttherapie. Milde Hypoglykämien könnten durch den Patienten selbständig durch Kohlenhydrateinnahme therapiert werden, wie dies auch aus den Blutzucker-Tagebuchaufzeichnungen des Klägers hervorgehe. Schwere Hypoglykämien bedürften der Fremdhilfe bis hin zu einer ärztlichen Intervention. Derartige Interventionen seien im Fall des Klägers nicht nachvollziehbar belegt.

In der mündlichen Verhandlung vor dem SG am 14.08.2019 ist der Kläger gehört worden. Dort hat er angegeben, dass er nicht nur 4 Mal täglich den Blutzucker messen und Insulin injizieren müsse, sondern teilweise auch deutlich öfter. Er sei von 7:00 Uhr morgens bis nachmittags 16:00 Uhr berufstätig, wobei die Schwere der Arbeit schwanke, was sich auch auf den Blutzucker auswirke. Wenn er zu wenig gegessen habe bzw. zu viel Insulin gespritzt habe, müsse er zum Beispiel Traubenzucker oder Gummibärchen essen. Dies mache er oft heimlich. Er messe auch den Blutzucker heimlich. Sein Arbeitgeber wisse nichts von der Zuckerkrankheit. Teilweise erkenne auch sein Kollege, mit dem er zusammenarbeite, dass mit seinem Zucker etwas nicht stimme. Dies erkenne man beispielsweise an der Umgebung der Augen. Auch seine Frau könne daran erkennen, dass die Zuckerwerte nicht in Ordnung seien. Wenn er eine Unterzuckerung bemerke, zum Beispiel durch Konzentrationsschwierigkeiten, sage er dem Kollegen, dass er zur Toilette gehe. Er sage ihm aber nicht, dass er dort heimlich den Blutzucker messe und spritze, wenn der Zucker zu hoch sei. Meist sei der Zucker dann allerdings zu niedrig, so dass er nicht Insulin injizieren, sondern etwas essen müsse, zum Beispiel Gummibärchen. Er habe davon immer einen Vorrat auf der Werkbank. Wegen der Zuckererkrankung sei er bisher noch nicht länger krankgeschrieben. Wenn er Freunde besuche oder zum Beispiel Essen gehe, messe er offen seinen Blutzucker. Das Problem sei eher auf der Arbeit, wenn es wegen Unterzucker zu Konzentrationsstörungen komme. Er fahre auch Auto. Beim Autofahren gebe es in der Regel keine Probleme mit Unterzuckerungen, denn zum einen messe er vorher den Blutzucker, bevor er losfahre, und zum anderen fahre er nur relativ kurze Strecken, insbesondere zur Arbeit, etwa 5-6 km. Längere Autofahrten unternehme er nicht, weil er andere Verkehrsteilnehmer nicht gefährden wolle. Urlaubsreisen absolviere er zusammen mit seiner Frau mit dem Flugzeug. Vor dem Essen messe er stets seinen Blutzucker. Sollten die Zuckerwerte zu Beginn des Essens noch zu hoch seien, warte er eine halbe Stunde oder eine Stunde ab und esse erst dann. Seine Familie würde oft merken, dass mit seinen Zuckerwerten etwas nicht stimme und er unterzuckert sei. Dies trete beispielsweise auch nachts auf. Sie würden dann versuchen, ihn zu wecken, aber er sei quasi besinnungslos. Eigentlich müsste dann jedes Mal der Arzt angerufen werden. Seine Familie habe es aber bisher geschafft, es ohne das Rufen eines Arztes in den Griff zu bekommen, indem man ihm zum Beispiel Gummibärchen in den Mund gesteckt habe. Bisher habe das immer geholfen. Er habe auch ein Notfallset im Kühlschrank mit Glukose zum Injizieren. Dies habe seine Familie auch schon mehrfach anwenden müssen. Pro Messen und Insulininjizieren benötige er einschließlich Händewaschen usw. ungefähr 10 Minuten. Die Zeitspanne brauche er auch, wenn er während der Berufsausübung die Toilette aufsuche, um den Blutzucker zu messen. Zu Folgeerkrankungen infolge des Diabetes mellitus sei es bisher noch nicht gekommen. Wegen der nachts aufgetretenen Unterzuckerungen versuche er jetzt, abends genügend zu essen, was allerdings zur Folge habe, dass teilweise die Zuckerwerte morgens deutlich zu hoch seien. Er nehme dies aber in Kauf, damit es nicht zu den nächtlichen Unterzuckerungen und er nicht verspätet zur Arbeit komme. Schichtdienst verrichte er derzeit nicht, das habe er zuletzt vor 3 Jahren getan. Während der Schichtarbeit seien die Auswirkungen der Zuckerkrankheit noch wesentlich schlimmer gewesen.

Mit Urteil vom 14.08.2019 hat das SG den Beklagten unter Aufhebung des Bescheids vom 08.03.2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 02.02.2018 verurteilt, bei dem Kläger einen GdB von 50 festzustellen. Zur Begründung hat es u.a. ausgeführt, dass die Zahl der notwendigen Blutzuckermessungen vielfach über 4 Mal hinausgehe, insbesondere wenn es während der Arbeit zu Unterzuckerungserscheinungen komme. Somit komme es insbesondere während der Arbeit zu einem besonderen Therapieaufwand. Je nach Schwere der Arbeit, die der Kläger zu verrichten habe und die er im Vorhinein nicht absehen könne, komme es, wie der Kläger in der mündlichen Verhandlung eindrucksvoll geschildert habe, während der Arbeit immer wieder zu Unterzuckerungen, die er darüber hinaus nicht stets selbst rechtzeitig bemerke, die vielmehr des Öfteren erst von seinem Arbeitskollegen bemerkt würden, der ihn hierauf aufmerksam mache, was den Kläger dann veranlasse, sich zur Messung des Blutzuckers auf die Toilette zurückzuziehen. Wie der Sachverständige Dr. B dargelegt habe, schwanke der Blutzucker beim Kläger trotz Injektion verschiedener Insulinarten über den Tag verteilt sehr stark, wobei auch die vom Kläger zu verrichtende Arbeit zu diesen Schwankungen beitrage, was den Vortrag des Klägers, bei der Arbeit komme es häufig zu Unterzuckerungen, nachvollziehbar erkläre. Diese Auswirkungen insbesondere während der Verrichtung der Arbeit gingen nach Auffassung der Kammer deutlich über die Auswirkungen eines mit mindestens 4 Blutzuckermessungen und Insulininjektionen behandelten, gut eingestellten Diabetes hinaus. Sie beeinträchtigten den Kläger bei der Ausübung der Arbeit erheblich zusätzlich. Darüber hinaus sei der Kläger, wie er in der mündlichen Verhandlung weiter glaubhaft vorgetragen hat, durch die Auswirkungen des Diabetes mellitus auch in seiner Mobilität beeinträchtigt, nämlich zur Vermeidung von Gefahren für sich oder andere Verkehrsteilnehmer gehindert, längere Autofahrten zu unternehmen, und müsse selbst bei kürzeren Autofahrten durch eine vorherige Blutzuckermessung und eine je nach Ergebnis der Blutzuckermessung vorzunehmende Nahrungsaufnahme dafür sorgen, dass es während dieser kurzen Autofahrten nicht zu Unterzuckerungen komme. Der Kläger habe zudem in der mündlichen Verhandlung dargelegt, dass es in der Vergangenheit mehrfach zu Fremdhilfebedarf im Falle von Unterzuckerungen gekommen sei, wenn auch nicht zur Notwendigkeit der Inanspruchnahme ärztlicher Hilfe. Wie dargelegt, bemerke der Kläger Unterzuckerungen selbst erst sehr spät und darüber hinaus nach seinem Vortrag, wenn diese in der Nacht aufträten, gar nicht; die Unterzuckerungen würden aber von seinem Arbeitskollegen bzw. seiner Ehefrau bemerkt, und wenn es nachts zu solchen Hypoglykämien komme, was nach den Darlegungen des Sachverständigen Dr. B auch nach Umstellung der Insulintherapie und gesteigerter Nahrungsaufnahme abends nach wie vor, wenn auch nicht mehr im vorherigen Ausmaß, der Fall sei, sei der Kläger auf die Hilfe seiner Ehefrau oder sonstiger Familienangehöriger angewiesen, um durch Zufuhr von Zucker, notfalls auch durch Verabreichung von Glukose aus dem vorhandenen Notfallset der Hypoglykämie entgegenzuwirken. Es handele sich insoweit mithin nicht lediglich um leichte, durch den Kläger gut beherrschbare Hypoglykämien. Angesichts dieser gravierenden Folgen des Diabetes mellitus in mehreren Teilbereichen des täglichen Lebens sei zur Überzeugung der Kammer insgesamt gesehen von einer so gravierenden Beeinträchtigung der Lebensführung des Klägers auszugehen, dass allein schon wegen der beim Kläger bestehenden Folgen der Diabetes-Erkrankung die Feststellung eines GdB von 50 gerechtfertigt sei. Unter weiterer Berücksichtigung eines GdB von 20 für die Schwerhörigkeit und eines GdB von 10 wegen der Funktionseinschränkung der Wirbelsäule betrage der Gesamt-GdB 50.

Gegen das am 09.09.2019 zugestellte Urteil hat der Beklagte am 09.10.2019 Berufung eingelegt und vorgetragen, dass der mit einer Diabetestherapie einhergehende Therapieaufwand allein nicht geeignet sei, die Feststellung einer Schwerbehinderteneigenschaft zu begründen. Vielmehr müsse insgesamt betrachtet eine erhebliche Beeinträchtigung in der Lebensführung, etwa durch eine erschwerte Therapie aufgrund persönlicher Defizite des Betroffenen, eine außergewöhnlich schwer regulierbare Stoffwechsellage, schwere hypoglykämische Entgleisungen mit Fremdhilfebedarf oder Folgeschäden an anderen Organen vorliegen. Schwere hyper- oder hypoglykämische Entgleisungen mit Fremdhilfebedarf seien auch im Gutachten des Dr. B nicht dokumentiert. Im Übrigen beschreibe der Kläger selbst in der mündlichen Verhandlung vor dem SG lediglich milde, mit Kohlehydrateinnahme therapierbare Hypoglykämien ohne Fremdhilfebedarf. Anderes ergebe sich aus den aktenkundigen medizinischen Unterlagen ebenfalls nicht. Die Notwendigkeit fachärztlicher Hilfe sei aktenkundig nicht beschrieben. Auch seien, wie der Kläger angegeben habe, Krankschreibungen aufgrund der Diabeteserkrankung bisher nicht notwendig gewesen. Hinsichtlich der vorgetragenen Hilfe durch Familienangehörige und Arbeitskollegen bestünden keine Anhaltspunkte, dass es sich um entsprechend schwerwiegende Zustände wie ausgeprägte hypoglykämische Schockereignisse oder Komata mit Fremdhilfebedarf handele. Insbesondere fänden sich keine entsprechenden Hinweise in dem Blutzuckertagebuch oder dem Free-Style-Libre -Aufzeichnungen des Klägers. Wenn sich der Kläger bei der Kohlehydrataufnahme zur Bewältigung einer der dokumentierten milden Hypoglykämien beispielsweise durch seine Ehefrau helfen lasse, sei dies nicht gleichzusetzen mit einer medizinisch notwendigen Fremdhilfe. Wäre es bei dem Kläger insbesondere nachts zu wiederholten schweren Hypoglykämien gekommen, wäre zu erwarten, dass diese zumindest im Rahmen von Arztbesuchen thematisiert und im Blutzuckertagebuch dokumentiert worden wären. Die Langzeitblutzuckereinstellung des Klägers sei im tolerablen Bereich. Er sei mobil und könne unter Einhaltung von Vorsichtsmaßnahmen in Form von Blutzuckermessungen vor Fahrtantritt selbst einen Pkw führen. Es habe keine Notwendigkeit für eine krankheitsbedingte Aufgabe seiner beruflichen Tätigkeit oder für eine Veränderung des Arbeitsbereichs gegeben. Es seien auch keine Organschäden oder Folgeerkrankungen dokumentiert. Auch der von Dr. B in seinem Gutachten aufgezeigte kulturelle Hintergrund des Klägers sei für sich nicht geeignet, eine gravierende Teilhabebeeinträchtigung im Sinne einer Schwerbehinderung zu begründen.

Der Senat hat Befundberichte von den behandelnden Ärzten des Klägers eingeholt und von dem Kläger dessen Blutzuckertagebuch betreffend das Jahr 2018 beigezogen. Das Blutzuckertagebuch 2019 sei, so der Kläger, nicht mehr auffindbar. Vom Beklagten sind auch Kopien aus einem diesem vorliegenden Blutzuckertagebuch des Klägers, vermutlich aus dem Jahr 2019, übersandt worden.

Auf Frage des Senats, hat der Kläger angegeben, dass er sich selbst mindestens 4 angepasste Insulindosen täglich injizieren müsse. Das Messen des Blutzuckerspiegels und das Anpassen einer Insulininjektion nehme ca. 10 Minuten in Anspruch. Messen müsse er auch während seiner Arbeitszeit. Je nach gemessenem Wert müsse er eventuell etwas essen, was ebenfalls einige Zeit in Anspruch nehme. Da der Blutzuckerwert immer unterschiedlich sei, müsse jede Dosis in Abhängigkeit vom aktuellen Blutzucker angepasst werden. Sein Leben habe sich seit seiner Erkrankung drastisch geändert. Sein Tagesablauf müsse stets an seine Blutzuckerwerte angepasst werden, das heiße, wenn die Werte von der Norm ab- wichen, sei er gezwungen, alles stehen und liegen zu lassen, bis die Werte wieder im Normbereich seien. Dies komme auch während der Arbeit vor. Sein Alltag und der seiner Familie richte sich vollständig nach dem Diabetes. Sobald der Blutzuckerwert abweiche, sei er nicht mehr in der Lage, am Straßenverkehr teilzunehmen und müsste zur Not gefahren werden oder zu Hause bleiben, während seine Ehefrau oder seine Kinder Erledigungen für ihn übernähmen. Seine Ernährung habe zudem angepasst werden müssen, so dass die Ehefrau immer zur selben Zeit koche und mit darauf achte, dass keine Umstände vorliegen, die den Blutzuckerspiegel stören könnten. Auch die Alltagsplanung hänge stark von seinem Blutzuckerspiegel ab. Sei der Blutzucker an einem Tag nicht Normalbereich, beeinträchtige dies den Alltag insofern, als dass er verspätet auf der Arbeit erscheine und Gartenarbeiten oder sonstigen Tätigkeiten nicht nachgehen könne. Auch seinem Hobby Angeln könne er nicht mehr nachgehen, da dort die Gefahr bestehe, nicht sofort Unterstützung bekommen zu können. Insofern sei er in seiner Lebensqualität durch die Krankheit erheblich eingeschränkt. Infolge des Diabetes sei er auch gezwungen, seine Freizeitaktivitäten und außerhäuslichen Aktivitäten auf ein Minimum zu reduzieren. Auch die Gartenarbeit habe er mittlerweile auf ein Minimum reduzieren müssen, da die körperliche Aktivität zu viel für ihn sei und er schnell ermüde. Er könne auch nicht mehr das essen, worauf er gerade Lust habe, sondern müsse die Ernährung auf mindestens 4 Mahlzeiten am Tag anpassen, wobei seine Ehefrau darauf achte, ihm kohlenhydratarme Kost vorzubereiten. Auf einige Lebensmittel müsse er vollständig verzichten. So sei er von Zucker auf Süßungsmittel, von Weizen auf Roggen und Dinkel umgestiegen. Honig komme für ihn gar nicht mehr infrage. Auch während des Schlafes komme es des Öfteren zu starken Schwankungen des Blutzuckerspiegels. Er schlafe dann sehr unruhig, bewege sich viel und schwitze sehr stark. An erholsamen Schlaf sei unter diesen Umständen insofern nicht zu denken. Es sei für ihn nicht konkret darstellbar, wie oft und wann es zu schweren hypoglykämischen Entgleisungen mit erforderlicher Fremdhilfe gekommen sei. Allerdings sei es in der Vergangenheit schon sehr oft vorgekommen, dass er in der Nacht unter einer schweren Hypoglykämie gelitten habe. Er sei dann auf die Hilfe seiner Ehefrau angewiesen, die Versuche, ihn aufzuwecken, welches sich als eine Herausforderung herausstelle. Sobald er wach sei, befinde er sich meist in einem schlafwandlerähnlichen Zustand und nehme seine Umwelt nicht mehr richtig wahr bzw. weise in solchen Fällen jegliche Hilfe ab und realisiere zunächst nicht in welchem Zustand er sich befinde. Seine Ehefrau müsse ihm mit Hilfe seines Sohnes entweder Traubenzucker verabreichen oder in schlimmeren Fälle eine Glukosespritze setzen. Bisher habe es immer geholfen, ihn insoweit auf ein Level zu bringen, dass er sich dann selbst um die Stabilisierung seines Blutzuckerwerts habe kümmern können. Es gebe durchaus Tage, an denen er hypoglykämisch oder hyperglykämisch von der Arbeit nach Hause komme, dies jedoch nicht bemerke. In diesen Fällen sei er auf die Hilfe seiner Familie angewiesen. Diese würden sofort wissen, wann er sich atypisch verhalte oder unter anderen Symptomen, wie Blässe im Gesicht oder Sprach- und Sehstörungen, leide. Die Hypoglykämie beeinträchtige und belaste ihn nicht nur am Tag, sondern auch bei Nacht. Seine Ehefrau habe ihm schon mehrfach das Leben gerettet, da er im Schlaf nicht bemerke, wenn sein Blutzucker falle. Seine Ehefrau bemerke hingegen, wenn er unruhig schlafe, sich seine Atmung ändere oder er unter kalten Schweißausbrüchen leide. Problematisch sei dann, dass er in einem hypoglykämischen Zustand nicht in der Lage sei, eigenständig aus dem Bett zu steigen und Maßnahmen zu ergreifen, um den Blutzucker zu erhöhen. In diesem Zustand wirke er als würde er unter Demenz leiden. Er sei dann auf die Hilfe seiner Familienangehörigen angewiesen, die ihm helfen würden, aus dem Bett zu steigen, sich umzuziehen und auch weitgehend zu füttern, bis er wieder zu sich gekommen sei. Im Monat Dezember sei es zu insgesamt 12 Abweichungen gekommen, welche ihn negativ eingeschränkt hätten. Am 01.12.2019 habe ihm sein Sohn morgens zur Hilfe eilen müssen, da sein Blutzucker bereits auf 45 gefallen sei und er nicht mehr eigenständig in der Lage gewesen sei, diesen zu stabilisieren. Sein Sohn habe ihm dann Traubenzucker und Fruchtgummi verabreicht, so dass der Blutzucker letztlich wieder gestiegen sei und dadurch die Notwendigkeit den Notarzt zu rufen, habe vermieden werden können. Generell versuche er so oft wie möglich auf die Hilfe eines Notarztes zu verzichten und auf Hilfe durch seine Familienangehörigen zurückzugreifen. Am 03.12.2019 sei der Blutzucker im Schlaf auf 38 gefallen. Seine Ehefrau und sein Sohn hätten Schlimmeres verhindern können, da diese ihm eine Dosis Glykogen injiziert hätten. Auch am 04.01.2020 hätten seine Ehefrau und sein Sohn ihn mit Traubenzucker füttern müssen, damit er sich eigenständig um seine Hypoglykämie habe kümmern können. Werte unter 60 seien bei ihm keine Neuheit, auch nicht während der Arbeit. Er sei bislang nur insofern arbeitsunfähig, dass er später zur Arbeit fahre, wenn der Blutzucker in der Nacht abweiche oder er Zeit benötige, um diesen zu normalisieren. Eine stationäre Behandlung sei bisher nicht notwendig gewesen, da die Fremdhilfe durch seine Familie bislang ausreichend sei. Bisher hätten sich infolge des Diabetes auch keine direkten Folgeerkrankungen bemerkbar gemacht. Er lasse aber regelmäßig seine Augen untersuchen. Im Laufe der Zeit habe sich auch eine Verringerung seiner geistigen Kapazitäten bemerkbar gemacht. Er sei sehr vergesslich geworden, könne einfache Zusammenhänge nicht sofort erkennen.

Auch leide er unter schlechter Wundheilung bei Verletzungen. Die psychische Belastung, die die Krankheit mit sich bringe, stelle ihn vor eine sehr große Herausforderung. Es hätten sich zum Stress außerdem Wesensveränderungen wie Reizbarkeit und Aggressivität manifestiert, welche seine zwischenmenschlichen Beziehungen erschwerten.

Anschließend hat der Senat eine Begutachtung bei dem Internisten, Kardiologen und Sozialmediziner Dr. A in Auftrag gegeben, der in seinem Gutachten vom 10.07.2020 nach ambulanter Untersuchung des Klägers bei diesem einen GdB von 40 festgestellt hat, bei folgenden Behinderungen:

1. Diabetes mellitus (Einzel-GdB 40) 2. Schwerhörigkeit (Einzel-GdB 20) 3. Wirbelsäulenleiden (Einzel-GdB 10).

Ab 2017 seien, so Dr. A , deutliche Blutzuckerschwankungen aufgetreten mit HbA1c-Werten zwischen 7,5 und 8,5 % Hb. Nach den ab August 2016 vorliegenden Blutzuckertagebüchern hätten die niedrigsten Blutzuckerwerte zwischen 46 und 56 mg % gelegen. Die Blutzuckeraufzeichnungen des Jahres 2017 hätten etwa 30 leichte Hypoglykämien, keine schweren Hypoglykämien unter 40 mg % und weiterhin keine ärztlichen Interventionen ergeben. Wegen der nicht mehr ausreichenden Blutzuckereinstellung sei der Kläger schließlich im Januar 2020 mit einer Insulinpumpe und einem Gewebezuckersensor versorgt worden. Nach Aussage des behandelnden Diabetologen habe dies zu einer besseren Einstellung des Diabetes geführt. Durch die Insulinpumpentherapie würden schwere Hypoglykämien jetzt vermieden, so dass der Kläger jetzt jederzeit wieder voll einsetzbar sei, was heiße, dass durch diese Therapie die berufliche Tätigkeit weiterhin möglich sei, ohne Auftreten schwerer Hypoglykämien. Wenn niedrige Blutzuckerwerte während der beruflichen Tätigkeit als Schlosser aufträten, würden von ihm selbst Pausen zur Traubenzuckeraufnahme oder Kauen von Fruchtgummi eingelegt. Dass ihm im häuslichen Bereich häufig Familienangehörige helfen würden, sei in der Frequenz durch die vielfach dokumentierten Blutzuckerwerte nicht nachvollziehbar.

Der Beklagte beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Koblenz vom 14.08.2019 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Wegen weiterer Einzelheiten wird zur Ergänzung des Sachverhalts auf den Inhalt der Gerichtsakte, der beigezogenen Beklagtenakte und der vom SG beigezogenen Archivakten S 8 SB 836/04 bzw. L 6 SB 86/07 Bezug genommen.


Entscheidungsgründe

Die zulässige (vgl. §§ 143, 144, 151 Sozialgerichtsgesetz - SGG), insbesondere form- und fristgerecht eingelegte, Berufung des Beklagten ist begründet.

Gegenstand des Verfahrens ist der Bescheid des Beklagten vom 08.03.2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 02.02.2018, mit dem der Beklagte den Antrag auf Neufeststellung abgelehnt hat. Die dagegen erhobene Klage ist zulässig, aber nicht begründet. Zu Unrecht hat das SG den o.g. Bescheid aufgehoben und einen GdB von 50 festgestellt. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Feststellung eines höheren GdB von 40. Eine wesentliche Änderung, die einen höheren GdB als den von dem Beklagten mit Widerspruchsbescheid vom 15.11.2004 zuerkannten GdB von 40 rechtfertigt, ist nicht eingetreten.

Nach § 48 Abs. 1 Satz 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch ist, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die beim Erlass eines Verwaltungsakts mit Dauerwirkung vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt, der Verwaltungsakt mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben.

Gemäß § 152 Abs. 1 Satz 1 Neuntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IX) in der seit dem 01.01.2018 geltenden – hier wegen des im Falle der vorliegenden kombinierten Anfechtungs- und Verpflichtungsklage (§ 54 Abs. 1 Satz 1 SGG; zur statthaften Klageart vgl. Bundessozialgericht – BSG – Urteil vom 12.04.2000, B 9 SB 3/99 R, juris Rn. 10; BSG Urteil vom 17.04.2013, B 9 SB 3/12 R, juris Rn. 24) maßgeblichen Zeitpunkts der letzten mündlichen Verhandlung bzw. des Zeitpunkts der Entscheidung durch das LSG – Fassung des Gesetzes zur Stärkung der Teilhabe und Selbstbestimmung von Menschen mit Behinderungen (Bundesteilhabegesetz – BTHG) vom 23.12.2016 (BGBl. I S. 3234) stellen die für die Durchführung des Bundesversorgungsgesetzes (BVG) zuständigen Behörden auf Antrag des behinderten Menschen das Vorliegen einer Behinderung und den Grad der Behinderung (GdB) zum Zeitpunkt der Antragstellung fest. Die Auswirkungen auf die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft werden als GdB nach Zehnergraden abgestuft festgestellt (§ 152 Abs. 1 Satz 5 SGB IX). Eine Feststellung ist nur zu treffen, wenn ein GdB von wenigstens 20 vorliegt (§ 152 Abs. 1 Satz 6 SGB IX). Liegen mehrere Beeinträchtigungen der Teilhabe am Leben in der Gesellschaft vor, so wird der GdB nach den Auswirkungen der Beeinträchtigungen in ihrer Gesamtheit unter Berücksichtigung ihrer wechselseitigen Beziehungen fest- gestellt (§ 152 Abs. 3 Satz 1 SGB IX).

Gemäß § 69 Abs. 1 Satz 5 SGB IX in den bis zum 14.01.2015 geltenden Fassungen (aF) gelten bei der Feststellung des GdB die Maßstäbe des § 30 Abs. 1 BVG und der auf Grund des § 30 Abs. 16 BVG erlassenen Rechtsverordnung entsprechend. Damit wird auf die auf Grund des § 30 Abs. 17 (jetzt Abs. 16) BVG mit Wirkung ab 01.01.2009 erlassene Versorgungsmedizin-Verordnung vom 10.12.2008 (VersMedV) Bezug genommen; da der Gesetzgeber von der Ermächtigung in § 153 Abs. 2 SGB IX noch keinen Gebrauch gemacht hat, verbleibt es bis zum Erlass einer solchen neuen Rechtsverordnung bei der bisherigen Rechtslage, d.h. bei der Anwendbarkeit der Maßstäbe des § 30 Abs. 1 BVG und der auf Grund des § 30 Abs. 17 (jetzt Abs. 16) BVG erlassenen Rechtsverordnung (vgl. § 241 Abs. 5 SGB IX; siehe dazu auch BSG Urteil vom 11.08.2015, B 9 SB 1/14 R, juris Rn. 16).

Nach § 30 Abs. 1 BVG i.V.m. § 69 Abs. 1 Satz 5 SGB IX aF ist der GdB nach den allgemeinen Auswirkungen der Funktionsbeeinträchtigungen, die durch die anerkannten körperlichen, geistigen oder seelischen Gesundheitsstörungen bedingt sind, in allen Lebensbereichen zu beurteilen, wobei der GdB nach Zehnergraden von 10 bis 100 zu bemessen ist und ein bis zu fünf Grad geringerer Grad vom höheren Zehnergrad mit umfasst wird. Vorübergehende Gesundheitsstörungen sind nicht zu berücksichtigen; als vorübergehend gilt ein Zeitraum bis zu sechs Monaten (§ 30 Abs. 1 Satz 3 BVG).

Aufgrund der ab dem 01.01.2009 geltenden VersMedV, die hier für die Zeit ab Antragstellung im Januar 2017 zur Anwendung gelangt, sind u.a. die Grundsätze für die medizinische Bewertung von „Schädigungsfolgen“ und die Feststellung des „Grades der Schädigungsfolgen“ im Sinne des § 30 Abs. 1 BVG geregelt (§ 1 VersMedV) – übertragen auf das SGB IX: die medizinische Bewertung der Behinderungen und die Feststellung des GdB. Die in § 1 VersMedV genannten Grunds- ätze und Kriterien sind in der Anlage (Anlage „Versorgungsmedizinische Grundsätze“ - AnlVersMedV) zu dieser Verordnung als deren Bestandteil festgelegt; die Anlage wird auf der Grundlage des aktuellen Stands der medizinischen Wissenschaft unter Anwendung der Grundsätze der evidenzbasierten Medizin erstellt und fortentwickelt (vgl. § 2 VersMedV).

Nach der Rechtsprechung des BSG ist davon auszugehen, dass die VersMedV als verbindliche Rechtsquelle grundsätzlich den Maßstab angibt, nach dem der GdB einzuschätzen ist (vgl. BSG Urteil vom 02.12.2010, B 9 SB 4/10 R, juris Rn. 20). Zweifel am Inhalt der AnlVersMedV, der durch besondere, vor allem medizinische Sachkunde bestimmt ist, sind vorzugsweise durch Nachfrage bei dem verantwortlichen Urheber, hier also beim Ärztlichen Sachverständigenbeirat Versorgungsmedizin bzw. bei dem für diesen geschäftsführend tätigen Bundesministerium für Arbeit und Soziales (§ 3 VersMedV) zu klären (vgl. BSG, a.a.O., m.w.N.). Im Übrigen ist die VersMedV auf inhaltliche Verstöße gegen höherrangige Rechtsnormen - insbesondere § 152 SGB IX - zu überprüfen, in dessen Lichte sie auszulegen sind; bei nach entsprechender Auslegung verbleibenden Verstößen gegen § 152 SGB IX ist die VersMedV nicht anzuwenden (so zu § 69 SGB IX aF: BSG, a.a.O, m.w.N.).

Zur Feststellung des GdB werden in einem ersten Schritt die einzelnen körperlichen, seelischen, geistigen oder Sinnesbeeinträchtigungen, im Sinne von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweichenden Körper- und Gesundheitszustand (vgl. § 2 Abs. 1 SGB IX), und die sich daraus ableitenden, in Wechselwirkung mit einstellungs- und umweltbedingten Barrieren an der gleichberechtigten Teilhabe an der Gesellschaft länger als 6 Monate hindernden Umstände festgestellt (vgl. dazu – noch zur alten Rechtslage – BSG, a.a.O., Rn. 25). In einem zweiten Schritt sind diese – soweit möglich – den in der AnlVersMedV genannten Funktionssystemen zuzuordnen und mit einem Einzel-GdB zu bewerten (vgl. BSG, a.a.O., Rn. 25); eine Addition einzelner Werte ist nicht zulässig (vgl. Teil A Nr. 3 lit. c AnlVersMedV). In einem dritten Schritt ist dann - in der Regel ausgehend von der Beeinträchtigung mit dem höchsten Einzel-GdB (vgl. Teil A Nr. 3 lit. c AnlVersMedV) - in einer Gesamtschau unter Berücksichtigung der wechselseitigen Beziehungen der einzelnen Beeinträchtigungen der Gesamt-GdB zu bilden (vgl. BSG, a.a.O., Rn. 25). Dabei können die Auswirkungen der einzelnen Beeinträchtigungen ineinander aufgehen (sich decken), sich überschneiden, sich verstärken oder beziehungslos nebeneinander stehen (BSG, a.a.O., Rn. 25; siehe auch Teil A Nr. 3 lit. d AnlVersMedV). Von Ausnahmefällen (z.B. hochgradige Schwerhörigkeit eines Ohres bei schwerer beidseitiger Einschränkung der Sehfähigkeit) abgesehen, führen zusätzliche leichte Gesundheitsstörungen, die nur einen GdB von 10 bedingen, nicht zu einer Zunahme des Ausmaßes der Gesamtbeeinträchtigung, auch nicht, wenn mehrere derartige leichte Gesundheitsstörungen nebeneinander bestehen; auch bei leichten Funktionsbeeinträchtigungen mit einem GdB von 20 ist es vielfach nicht gerechtfertigt, auf eine wesentliche Zunahme des Ausmaßes der Behinderung zu schließen (vgl. Teil A Nr. 3 lit. d, ee AnlVersMedV). Außerdem sind bei der Gesamtwürdigung die Auswirkungen mit denjenigen zu vergleichen, für die in der Tabelle der AnlVersMedV feste GdB/MdE-Werte bzw. feste GdS-Werte angegeben sind (vgl. Teil A Nr. 3 lit. b AnlVersMedV; vgl. BSG, a.a.O., Rn. 25).

Ausgehend von diesen maßgeblichen Grundsätzen ist in den dem Widerspruchsbescheid vom 15.11.2004 zugrunde liegenden Verhältnissen keine wesentliche Änderung eingetreten, die einen höheren GdB als 40 rechtfertigt.

Nr. 15.1 AnlVersMedV bestimmt bzgl. des GdB für Zuckerkrankheit (Diabetes mellitus) Folgendes:

„Die an Diabetes erkrankten Menschen, deren Therapie regelhaft keine Hypoglykämie auslösen kann und die somit in der Lebensführung kaum beeinträchtigt sind, erleiden auch durch den Therapieaufwand keine Teilhabebeeinträchtigung, die die Feststellung eines GdS rechtfertigt. Der GdS beträgt 0.

Die an Diabetes erkrankten Menschen, deren Therapie eine Hypoglykämie auslösen kann und die durch Einschnitte in der Lebensführung beeinträchtigt sind, erleiden durch den Therapieaufwand eine signifikante Teilhabebeeinträchtigung. Der GdS beträgt 20.

Die an Diabetes erkrankten Menschen, deren Therapie eine Hypoglykämie auslösen kann, die mindestens einmal täglich eine dokumentierte Überprüfung des Blutzuckers selbst durchführen müssen und durch weitere Einschnitte in der Lebensführung beeinträchtigt sind, erleiden je nach Ausmaß des Therapieaufwands und der Güte der Stoffwechseleinstellung eine stärkere Teilhabebeeinträchtigung. Der GdS beträgt 30 bis 40.

Die an Diabetes erkrankten Menschen, die eine Insulintherapie mit täglich mindestens vier Insulininjektionen durchführen, wobei die Insulindosis in Abhängigkeit vom aktuellen Blutzucker, der folgenden Mahlzeit und der körperlichen Belastung selbständig variiert werden muss, und durch erhebliche Einschnitte gravierend in der Lebensführung beeinträchtigt sind, erleiden auf Grund dieses Therapieaufwands eine ausgeprägte Teilhabebeeinträchtigung. Die Blutzuckerselbstmessungen und Insulindosen (beziehungsweise Insulingaben über die Insulinpumpe) müssen dokumentiert sein. Der GdS beträgt 50.

Außergewöhnlich schwer regulierbare Stoffwechsellagen können jeweils höhere GdS-Werte bedingen.“

Diese Maßstäbe zugrunde legend ist, ist im Fall des Klägers ein GdB 40 zur Überzeugung des Senats weiterhin angemessen. Anhaltspunkte dafür, dass diese Bestimmungen nicht dem aktuellen Stand der medizinischen Wissenschaft entsprechen könnten, sind nicht ersichtlich (vgl. BSG Urteil vom 17.04.2013, B 9 SB 3/12 R, juris Rn. 35 m.w.N.)

Soweit es die hier streitige Feststellung eines GdB von 50 betrifft, enthält Teil B Nr. 15.1 AnlVersMedV seinem Wortlaut nach drei Beurteilungskriterien:

1. täglich mindestens vier Insulininjektionen, 2. selbstständige Variierung der Insulindosis in Abhängigkeit vom aktuellen Blutzucker, der folgenden Mahlzeit und der körperlichen Belastung sowie 3. eine (durch erhebliche Einschnitte) gravierende Beeinträchtigung in der Lebensführung.

Diese Kriterien sind nicht jeweils gesondert für sich genommen starr anzuwenden; vielmehr sollen sie eine sachgerechte Beurteilung des Gesamtzustandes erleichtern (vgl. BSG, a.a.O., Rn. 36). Insoweit ist es nicht erforderlich, dass ausnahmslos an allen Tagen eine Anzahl von vier Insulininjektionen durchgeführt wird; die Zahl von vier Insulininjektionen am Tag ist nicht als absoluter Grenzwert zu sehen (vgl. BSG, a.a.O., Rn. 37 mw.N.). Eine Bewertung des GdB, die sich ausschließlich an der Zahl der Insulininjektionen pro Tag orientiert, überzeugt nicht; vielmehr ist der Therapieaufwand neben der Einstellungsqualität zu beurteilen; insoweit wird der GdB relativ niedrig anzusetzen sein, wenn mit geringem Therapieaufwand eine ausgeglichene Stoffwechsellage erreicht wird, und der GdB bei (in beeinträchtigender Weise) wachsendem Therapieaufwand und/oder abnehmendem Therapieerfolg (instabiler Stoffwechsellage) höher einzuschätzen sein (vgl. BSG, a.a.O., m.w.N.). Auch das Erfordernis einer „selbstständigen“ Variation in der Insulindosis verlangt kein „ständiges“ Anpassen der Dosis; entscheidend ist die Abhängigkeit der jeweiligen Dosierung vom aktuellen Blutzucker, der folgenden Mahlzeit und der körperlichen Belastung; sie kann demnach unter Umständen auch mehrfach gleichbleiben; in keinem Fall ist insoweit allein auf die Anzahl von zusätzlichen Korrekturinjektionen abzustellen (vgl. BSG, a.a.O., Rn. 38 m.w.N.).

Dies zugrunde legend sind vorliegend die oben dargestellten Punkte Nr. 1 und 2 erfüllt. Wie der den Kläger behandelnde Arzt Dr. B in seinem Gutachten vom 05.03.2019 dargelegt hat, spritze der Kläger mehr als 4 Injektionen täglich. Darüber hinaus hat der Kläger überzeugend dargelegt, dass er die Insulindosis in Abhängigkeit vom aktuellen Blutzucker, der folgenden Mahlzeit und der körperlichen Belastung selbstständig variiere.

Anders als das SG ist der Senat aber nicht zu der Überzeugung gelangt, dass auch der oben dargestellte Punkt Nr. 3, d.h. eine (durch erhebliche Einschnitte) gravierende Beeinträchtigung in der Lebensführung, erfüllt ist. Dabei ist nicht er- sichtlich, dass der Verordnungsgeber davon ausgegangen ist, dass bei einem entsprechenden Therapieaufwand immer eine gravierende Beeinträchtigung der Lebensführung vorliegt (vgl. BSG, a.a.O., Rn. 39), d.h. allein der Therapieaufwand vermag keinen GdB von 50 zu begründen (s.a. BSG Urteil vom 16.12.2014, B 9 SB 2/13 R, juris Rn. 21). Je nach den persönlichen Fähigkeiten und Umständen der betreffenden Person kann sich die Anzahl der Insulininjektionen und die Anpassung der Dosis unterschiedlich stark auf die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft auswirken (BSG a.a.O.). Abgesehen davon ist für die Beurteilung des GdB bei Diabetes mellitus auch die jeweilige Stoffwechsellage bedeutsam, die im Rahmen der Prüfung des dritten Merkmals (gravierende Beeinträchtigung der Lebensführung) berücksichtigt werden kann (BSG a.a.O.). Die durch erhebliche Ein- schnitte bewirkte gravierende Beeinträchtigung in der Lebensführung kann mithin auf Besonderheiten der Therapie beruhen, etwa wenn ein Erkrankter aufgrund persönlicher Defizite für eine Injektion erheblich mehr Zeit benötigt, als ein anderer im Umgang mit den Injektionsutensilien versierter Mensch; Einschnitte in der Lebensführung zeigen sich daneben auch bei einem unzulänglichen Therapieerfolg, also an der Stoffwechsellage des erkrankten Menschen (vgl. BSG a.a.O.). Die Bewertung des GdB verlangt mithin eine am jeweiligen Einzelfall orientierte Beurteilung, die alle die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft beeinflussenden Umstände berücksichtigt (vgl. BSG, a.a.O., Rn. 42; s.a. BSG Urteil vom 16.12.2014, B 9 SB 2/13 R, juris Rn. 19). Bei der demnach anzustellenden Gesamtbetrachtung aller Lebensbereiche lässt sich eine ausgeprägte Teilhabebeeinträchtigung durch erhebliche Einschnitte in der Lebensführung nur unter strengen Voraussetzungen bejahen (BSG Urteil vom 16.12.2014, B 9 SB 2/13 R, juris Rn. 21). Das zeigt sich schon an der Formulierung der Vorschrift, die eine für einen Normtext seltene Häufung einschränkender Merkmale enthält: erheblich, gravierend, ausgeprägt (vgl. BSG a.a.O.). Die mit der Insulintherapie zwangsläufig verbundenen Ein- schnitte sind somit nicht geeignet, eine zusätzliche („und“) gravierende Beeinträchtigung der Lebensführung hervorzurufen; berücksichtigungsfähig ist nur ein dieses hohe Maß noch übersteigender, besonderer Therapieaufwand (vgl. BSG a.a.O.).

Dies zugrunde legend ist eine gravierende Einschränkung der Teilhabe am Leben in der Gesellschaft (Beruf, Freizeitgestaltung) beim Kläger nicht zu erkennen. Die vom Kläger vorgetragenen Einschränkungen bei der Nahrungsaufnahme (Achtung auf eine kohlenhydratarme Kosten, regelmäßige Mahlzeiten, abendliche Mahlzeiten, um nächtliche Hypoglykämien zu vermeiden, Vermeidung und Ersetzung bestimmter Lebensmittel wie Zucker, Honig und Weizen, ggf. Abwarten einer halben oder einer Stunde bis zum Essen, wenn die gemessenen Werte noch zu hoch seien), bei Autofahrten (Vermeidung längerer Autofahrten, um andere Verkehrsteilnehmer nicht zu gefährden; kürzere Autofahrten – z.B. zur Arbeit – nur nach vorheriger Blutzuckermessung) und bei Reisen (Urlaubsreisen nur mit dem Flugzeug) bedeuten zwar eine „stärkere“ Teilhabebeeinträchtigung i.S.v. Nr. 15.1 Abs. 3 AnlVersMedV; das Ausmaß einer darüber noch hinausgehenden „ausgeprägten“ Teilhabebeeinträchtigung (Teil B Nr. 15.1 Abs. 4 AnlVersMedV) erreichen sie hingegen nicht (vgl. dazu auch BSG Urteil vom 16.12.2014, B 9 SB 2/13 R, juris Rn. 22). Gleiches gilt bzgl. der vom Kläger beklagten Einschränkungen hinsichtlich seiner Hobbys (kein Angeln mehr, da dort die Gefahr bestehe, nicht sofort Unterstützung bekommen zu können; Reduzierung der Gartenarbeit wegen der körperlichen Aktivität und schnellen Ermüdbarkeit); in dem Zusammenhang ist zudem zu beachten, dass der Kläger körperlich schwer als Schlosser arbeitet und es diesbezüglich im Zusammenhang mit dem Diabetes nicht zu nennenswerten Zeiten von Arbeitsunfähigkeit (darauf abstellend auch BSG Urteil vom 16.12.2014, B 9 SB 2/13 R, juris Rn. 22) gekommen ist. Insoweit ist für den Senat nicht verständlich, warum der Kläger häusliche Gartenarbeit meidet, aber beruflich körperlich schwer als Schlosser arbeiten kann. Dabei ist auch zu beachten, dass der Kläger während der Arbeit selbstständig Traubenzucker und Gummibärchen (wovon er nach seinen Angaben immer einen entsprechenden Vorrat auf der Werkbank habe) zu sich nimmt, wenn er eine Unterzuckerung bemerke, zum Beispiel durch Konzentrationsschwierigkeiten. Letzteres zeigt nicht nur, dass der Kläger tagsüber durchaus die Möglichkeit hat, durch eine solche Nahrungsaufnahme zur Stabilisierung der Stoffwechsellage beizutragen, sondern auch eine Unterzuckerung gerade bemerkt. Vor diesem Hintergrund ist sein weiterer Vortrag, dass er eine Unterzuckerung zumindest tagsüber nicht bemerke, nicht nachvollziehbar. Weiter hat er vorgetragen, dass, wenn der Blutzuckerspiegel zu stark sinke, Kopfschmerzen, Herzrasen und kalte Schweißausbrüche aufträten. Auch dies kann der Kläger zumindest tagsüber selbstständig wahrnehmen. Wenn der Blutzucker steige, leide er – so der Kläger weiter – unter massiven Müdigkeitsanfällen, so dass ihm jegliche Tätigkeit schwerfalle; auch das nimmt er mithin nach seinem eigenen Vortrag zur Kenntnis. Darüber hinaus hat der Kläger selbst vorgetragen, dass so- wohl im Falle einer Unter- als auch einer Überzuckerung Sprach- und Sehstörungen aufträten; auch solche wird der Kläger tagsüber wohl selbstständig wahrnehmen können. Eine außergewöhnlich schwer regulierbare Stoffwechsellage mit häufigen Unter- und/oder Überzuckerungen, die eine Fremdhilfe notwendig machten, ist damit nach dem eigenen Vortrag des Klägers zumindest tagsüber nicht vorhanden. Soweit der Kläger weiter vorgetragen hat, dass es nachts schon zu Hypoglykämien gekommen sei, die eine Fremdhilfe durch seine Frau und seinen Sohn erforderlich gemacht hätten, ist diesbezüglich schon verwunderlich, warum der behandelnde Diabetologe Dr. B. dazu im Rahmen der abgegebenen Befundberichte und seinem erstatteten Gutachten keine näheren Angaben gemacht hat. Wie der Beklagte zutreffend ausgeführt hat, wäre in einem Fall, wiederholt auftretender schwerer Hypoglykämien, zu erwarten gewesen, dass diese zumindest im Rahmen von Arztbesuchen thematisiert und im Blutzuckertagebuch dokumentiert worden wären; beides ist nicht der Fall. Nach den vorgelegten Blutzuckertagebüchern sind zwar seit 2017 – wie Dr. A. ausgeführt hat – deutliche Blutzuckerschwankungen aufgetreten, nach den Blutzuckeraufzeichnungen des Jahres 2017 hätten sich aber (etwa 30) leichte Hypoglykämien und keine schweren Hypoglykämien unter 40 mg % ergeben. Dass dem Kläger im häuslichen Bereich häufig Familienangehörige helfen würden, sei, so Dr. A., in der Frequenz durch die vielfach dokumentierten Blutzuckerwerte nicht nachvollziehbar. Darüber hinaus hat Dr. B. in seinen erstatteten Befundberichten vom 19.01.2017 und 14.11.2017 auch nur ausgeführt, dass eine instabile Stoffwechsellage mit „Gefahr“ des Auftretens schwerer Hypoglykämien bestehe, und in seiner Stellungnahme vom 07.06.2018 angegeben, dass eine „Gefahr“ des Auftretens schwerer Hypoglykämien zeitlebens bestehe; in seinem Gutachten vom 05.03.2019 hat er dar- gelegt, dass die Hypoglykämien gefährlich werden „könnten“, mithin keine tatsächlich beim Kläger aufgetretenen Hypoglykämien geschildert. Im Übrigen hat der Kläger – auf konkrete Nachfrage des Senats – selbst vorgetragen, dass es für ihn nicht konkret darstellbar sei, wie oft und wann es zu schweren hypoglykämischen Entgleisungen mit erforderlicher Fremdhilfe gekommen sei (Schreiben vom 26.02.2020 unter Nr.4, Bl. 307 ff. der Gerichtsakte). In dem Zusammenhang sind auch die klägerischen Angaben in der mündlichen Verhandlung vor dem SG am 14.08.2019 zu beachten, dass er wegen der nachts aufgetretenen Unterzuckerungen nun versuche, abends genügend zu essen; dies habe zwar zur Folge, dass teilweise die Zuckerwerte morgens deutlich zu hoch seien, was er aber in Kauf nehme, damit es nicht zu nächtlichen Unterzuckerungen komme und er nicht zu spät zur Arbeit erscheine. Diese Angaben zeigen, dass der Kläger selbst durch abendliche ausreichende Nahrungsaufnahme nächtliche Unterzuckerungen vermeiden kann. Folgeschäden an anderen Organen (vgl. dazu die vom Senat eingeholten Befundberichten des Augenarztes S vom 19.02.2020 – Bl. 304 der Gerichtsakte –, des Hausarztes D vom 29.05.2020 – Bl. 342 der Gerichtsakte – und die von Dr. A im Rahmen seiner Begutachtung erhobenen Befunde) oder eine stationäre Behandlungsbedürftigkeit durch die Zuckerkrankheit sind bislang ebenfalls nicht aufgetreten (darauf abstellend auch BSG Urteil vom 16.12.2014, B 9 SB 2/13 R, juris Rn. 22.). Etwaigen besonderen Auswirkungen der Zuckerkrankheit während der Schichtarbeit war nicht weiter nachzugehen, nachdem der Kläger in der mündlichen Verhandlung vor dem SG am 14.08.2019 selbst vorgetragen hat, dass er Schichtdienst zuletzt vor 3 Jahren verrichtet habe, mithin zuletzt deutlich vor Stellung des Neufeststellungsantrags bei dem Beklagten am 16.01.2017. Darüber hinaus ist der Kläger nunmehr – seit Anfang 2020 mit einer Insulinpumpe und einem Gewebezuckersensor versorgt. Dies hat, wie Dr. A dargelegt hat, nach Aussage des behandelnden Diabetologen Dr. B. zu einer besseren Einstellung des Diabetes geführt (vgl. das Schreiben des Dr. B. an die A. R. - P./S. vom 25.05.2020, Bl. 380 der Gerichtsakte). Durch die Insulinpumpentherapie würden schwere Hypoglykämien und starke Stoffwechselschwankungen jetzt vermieden, so dass der Kläger jetzt jederzeit wieder voll einsetzbar sei, was heiße, dass durch diese Therapie die berufliche Tätigkeit weiterhin möglich sei, ohne Auftreten schwerer Hypoglykämien (so Dr. B. in dem o.g. Schreiben).

Zur Überzeugung des Senats ist damit in den dem Widerspruchsbescheid vom 15.11.2004 zugrunde liegenden Verhältnissen seit Antragstellung am 16.01.2017 bis zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung am 23.09.2020 keine wesentliche Änderung eingetreten, die einen höheren GdB als 40 für die Zuckerkrankheit rechtfertigt.

Darüber hinaus sind auch die bei dem Kläger daneben vorliegende Schwerhörigkeit (mit einem Einzel-GdB von 20) und die Wirbelsäulenbeschwerden (mit einem Einzel-GdB von 10) ausreichend erfasst. Zum einem ist diesbezüglich vom Kläger im Laufe des gesamten Verfahrens weder ein entsprechender Vortrag erfolgt, dass diese höher zu bewerten seien, noch sind insoweit behandelnde Ärzte benannt worden (vgl. Schreiben des Klägers vom 07.02.2020, Bl. 262 der Gerichtsakte), zum anderen berichtet der Hausarzt des Klägers D in seinem Befundbericht vom 29.05.2020 (Bl. 342 der Gerichtsakte) nicht von einer gravierenderen Einschränkung der Wirbelsäulenbeschwerden, die einen höheren GdB als 10 ergeben könnte. Auch in psychischer Hinsicht liegen bei dem Kläger keine Gesundheitsstörungen mit einem GdB von mindestens 10 vor. Zum einen erfolgt diesbezüglich keine entsprechende fachärztliche Behandlung, zum anderen hat Dr. B. in seinem Schreiben an die A. R.-P./S. vom 25.05.2020 (Bl. 380 der Gerichtsakte) dargelegt, dass die „psychische“ Belastung durch die erfolgreich durchgeführte Insulinpumpentherapie habe „reduziert“ werden können. Eine etwaige psychische Belastung ist daher – wie auch der sonstige klägerische Vortrag nahelegt – nur im Zusammenhang mit der Zuckerkrankheit und den diesbezüglichen Einschränkungen zu sehen, bedingt aber keinen eigenen Krankheitswert.

Ein höherer Gesamt-GdB als 40 lässt sich daher zu Überzeugung des Senats seit Antragstellung am 16.01.2017 bis zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung am 23.09.2020 nicht begründen.

Klarstellend weist der Senat noch auf Folgendes hin:

Die Änderung einer Behinderungsbezeichnung oder die Veränderung eines Einzel-GdB beim Vorliegen mehrerer Teil-Behinderungen oder das Hinzutreten weiterer Teil-Behinderungen ohne Auswirkungen auf die Höhe des Gesamt-GdB, hat keine rechtlichen Folgen (vgl. BSG Urteil vom 24.06.1998, B 9 SB 17/97 R, juris Rn. 16). Die lediglich verwaltungsintern ermittelten Einzel-GdB-Werte sind zwar notwendige, aber nicht unmittelbare Rechtswirkung nach außen entfaltende Einzelelemente des allein anfechtbaren Gesamt-GdB (vgl. BSG Urteil vom 10.09.1997, 9 RVs 15/96, juris Rn. 15). Denn im final ausgerichteten Schwerbehindertenrecht ist es gleichgültig, worauf ein regelwidriger Gesundheitszustand beruht, und die „Feststellung“ der daraus erwachsenden Behinderung hätte keine rechtlichen Folgen. Rechtsfolgen hat allein die Entscheidung der Verwaltung über den Gesamt-GdB (vgl. BSG Urteil vom 24.06.1998, B 9 SB 17/97 R, juris Rn. 16; BSG, Beschluss vom 01.06.2015, B 9 SB 10/15 B, juris Rn. 8). Dieser ist hier aber – wie dargestellt – mit einem GdB von 40 weiterhin ausreichend ermittelt. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 160 Abs. 2 Nr. 1 und 2 SGG liegen nicht vor.



Versorungsmedizinische Grundsätze
in der Fassung der 5. Verordnung zur Änderung der Versorgungsmedizin-Verordnung